Von Bodytuning zu Achtsamkeit – Zielgruppen für Gesundheit und Fitness

Dieser Text ist ein Artikel im Magazin markenartikel (Ausgabe 10/2019). Die Autorin Frauke Stockmann ist in der Position Research & Consulting am SINUS-Institut beschäftigt.

Von Bodytuning zu Achtsamkeit – Zielgruppen für Gesundheit und Fitness

Von Bodytuning zu Achtsamkeit

Welche Rolle spielen die Themen Gesundheit und Fitness in den verschiedenen Sinus-Milieus? Welche lebensstilspezifischen Unterschiede zeigen sich - und wie können sie erklärt werden? Zentrale Befunde zu milieuspezifischen Motiven und Aktivitäten. Fragt man die Menschen in Deutschland, was ihnen im Leben am wichtigsten ist, nennen sie neben Familie vor allem Gesundheit. Die hohe Bedeutung dieses Werts mündet aber nicht auch „automatisch“ in einen gesundheitsbewussten Lebensstil. Je nach Sinus-Milieu gibt es Unterschiede, wie man die Themen Gesundheit und Fitness definiert und was man damit verbindet.

Von Bodytuning zu Achtsamkeit – Zielgruppen für Gesundheit und Fitness

Konservativ-Etablierte: Fitness mit Niveau

Konservativ-Etablierte definieren Gesundheit vor allem als Wert an sich, den es zu bewahren und pflegen gilt. Sich fit zu halten ist Ausdruck der Eigenverantwortlichkeit für die eigene Gesundheit und dient dem Erhalt der eigenen Leistungsfähigkeit. Insbesondere Fitnesstraining (in exklusiven und "seriösen" Studios) wird genutzt, um gezielt und effizient den eigenen Körper zu stärken und Problemzonen (vorrangig körperliche, weniger ästhetische) zu behandeln. Dabei sind Fachkräfte wichtige Ansprechpartner*innen, Training in Eigenregie findet eher selten statt. Typische Sportarten, sind u.a. Golf, Tennis und Ski Alpin, was zeigt, dass Prestige und Status milieuspezifische Zugänge zu Sport sind. Man ist gerne unter Seinesgleichen, sucht Exklusivität und einen gepflegten sozialen Rahmen. Massensport-Events meidet man.

Liberal-Intellektuelle: Achtsamkeit als Leitprinzip

Für dieses Milieu gehen Fitness und Wellness – Körper und Geist - Hand in Hand. Man möchte nicht nur den Körper gesund halten, sondern auch den Kopf freibekommen. Entschleunigung ist ein milieutypisches Sportmotiv. Entsprechend sind Aktivitäten wie z.B. Yoga und Qi Gong sehr beliebt. Man geht durchaus auch in Fitnessstudios, Outdooraktivitäten stehen aber höher in der Gunst (Wandern, Schwimmen). Bewusste Ernährung ist Teil des Lebensstils, nicht aus Schlankheitsgründen, sondern um achtsam mit dem Körper umzugehen. Viele Liberal-Intellektuelle verzichten auf Fleisch oder tierische Produkte allgemein. Spezielle Sport- und Fitnessernährung mit dem Versprechen des Muskelaufbaus etc. sind in diesem Milieu weniger beliebt: Stattdessen greift man auf Superfood und insgesamt frische Lebensmittel zurück.

Performer: Selbstoptimierte Wettkämpfer

Bei Performern wird Gesundheit stark unter funktionalen und effizienten Gesichtspunkten betrachtet. Sport soll nicht nur Spaß machen, sondern auch "Ergebnisse produzieren". Für dieses Milieu ist es wichtig, dass man sich ständig verbessert. Selbstoptimierung und Gesundheit gehen für sie Hand in Hand. Daher sucht man auch den Wettbewerb - sei es gegen sich selbst oder gegen andere. An die eigenen Grenzen zu gehen und Eindruck zu hinterlassen sind milieutypische Sportmotive. Das richtige Setting ist daher ebenso wichtig wie hochwertige Sportbekleidung und Ausrüstung (neueste Technik und Materialien). Man ist auch bereit, in Hometraining-Geräte zu investieren und die Ernährung umzustellen bzw. sie mit spezifischen Nahrungsmitteln (Fitnessdrinks, Proteinshakes) zu optimieren. Performer sind für viele Sportarten offen, von individuellem Training (im Studio, joggen) bis zu Mannschaftsport und Sportevents, bei denen das Networking im Vordergrund steht.

Expeditive: Trendorientierte (Team-)Player

Expeditive sind ein sportbegeistertes Milieu. Trendsportarten nehmen in diesem Milieu oft ihren Anfang (Slacklining, Parcours) und in Vergessenheit geratene Sportarten werden von ihnen oft wieder reaktiviert bzw. neu interpretiert (Trimm-Dich-Pfade als individuelles Outdoor-Fitnessstudio / CrosssFit). Auch setzen sie gesundheitsbewusste Ernährungstrends (z.B. pflanzlicher Fleischersatz) – häufig allerdings weniger aus einem expliziten Gesundheitsgedanken, denn als Element ihres Lifestyles. Wichtig ist diesem Milieu die Verknüpfung von sportlicher Aktivität, Lifestyle und Spaß. Expeditive sind offen für Sport-Gadgets und -Apps - wobei die Tendenz zu erkennen ist, dass insbesondere der Freizeitbereich als bewusstes Moment zum "Digital Detox" genutzt wird.

Adaptiv-Pragmatische: Work-Fun-Balance

Adaptiv-Pragmatische treiben Sport aus verschiedenen Gründen: weil man etwas für die Gesundheit tun muss, vom Job abschalten will, Spaß haben und sich mit anderen Menschen treffen möchte. Die soziale Dimension von Sport spielt in diesem Milieu eine besondere Rolle. Sportaktivitäten werden häufig als Familienaktivitäten geplant oder als Verabredung mit Freund*innen. Lockere Treffen zum gemeinsamen Joggen oder eine gemeinsame Kursteilnahme kann dieses Milieu dazu motivieren, etwas Gesundes zu tun. Adaptiv-Pragmatische sind offen für Maßnahmen, die ihnen das Sportleben einfacher machen, seien es besonders kalorienarme oder vitaminreiche Nahrungs(ergänzungs-)mittel oder Selbstoptimierungs-Gadgets. Zum Teil aus Unsicherheit oder aus Bequemlichkeit ist für das Milieu auch Home-Training (YouTube oder Online-Fitnesskurse) interessant. Wellnessangebote als bewusste Auszeit vom Alltag werden geschätzt - sind aber eher eine Ausnahme, die man sich ab und an gönnt.

Sozialökologische: Ayurvedische Gelassenheit

Der Gedanke der Selbstoptimierung ist Sozialökologischen nicht nur fremd, er wird sehr kritisch betrachtet. Eine gesunde Lebensweise entsteht für sie aus der Symbiose von Körper und Geist. Man präferiert sportliche Aktivitäten, die sowohl den Geist als auch den Körper stärken. Gesundheit ist für das Milieu häufig "Bewusstseinssache". Nichtsdestotrotz geht es auch darum, sich im eigenen Körper wohlzufühlen - was jeder für sich selbst individuell interpretieren kann. Es geht ihnen selten um Erfolge bei Wettkämpfen oder ästhetische Ideale. Bei der Sportausrüstung beschränkt man sich oft auf das Wesentliche, ist hier aber durchaus bereit, Geld auszugeben. Von "Lifestyle"-Spielereien hält man hingegen nichts. Prinzipiell spielt der Nachhaltigkeitsgedanke bei Konsumentscheidungen in diesem Milieu eine wichtige Rolle.

Hedonisten: Ergebnis- und spaßorientierte Bodytuner

Für Hedonistinnen ist sportliche Aktivität selten ein Selbstzweck: Meist geht es darum, den eigenen Körper zu optimieren, um einem bestimmten Ideal zu entsprechen. Sehen und gesehen werden ist ein nicht zu unterschätzender Motivator in diesem Milieu. Gesundheit als Wert an sich ist eher zweitrangig. Es sind vor allem extrinsische Motive (Abnehmen, Muskelaufbau), welche Hedonistinnen zu gesundheitsbewussterem Verhalten bewegen. Was zählt, ist der sichtbare Erfolg und stellt sich dieser nicht wie gewünscht ein, fehlt schnell das Durchhaltevermögen. Daneben sind Hedonist*innen glühende Anhänger von Trend- und Extremsportarten. Für viele bedeutet Gesundheitsbewusstsein auch, sich einfach nicht zu viele Gedanken und Stress zu machen. Ernährung wird bewusst miteinbezogen, wenn sie einem bestimmten Zweck dient: Fitnessgetränke, Proteinshakes, eiweißhaltige Ernährung, welche die sportlichen Bemühungen unterstützen sollen. Insbesondere, wenn es darum geht den eigenen Körper zu definieren, stattet sich dieses Milieu auch zu Hause mit entsprechenden Geräten aus.

Sportdistanzierte: Bürgerliche Mitte, Traditionelle und Prekäre

Diese Milieus sind weniger sportlich aktiv. Das Wissen um die Zusammenhänge von Bewegung, Ernährung, Entschleunigung und eigener Gesundheit ist begrenzt und die Möglichkeiten persönlicher Einflussnahme werden heruntergespielt. Milieutypische Sportarten sind häufig Wandern, (Nordic) Walking oder Angeln - also Aktivitäten, die ohne größeren Aufwand oder Anstrengungen betrieben werden können. Ein expliziter Gesundheitsgedanke steckt auch nicht immer hinter der Betätigung, oft ist es Freizeitbeschäftigung oder Urlaubsaktivität. In diesen Milieus wird vergleichsweise wenig Geld für Zubehör und Ausrüstung ausgegeben - viele setzen auf Angebote bei den Discountern. Psychischer Gesundheit wird meistens sehr wenig bewusste Aufmerksamkeit geschenkt. Bei der Ernährung zählt, was schmeckt, auf gesunde Lebensmittel wird selten geachtet.

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